Netto-Null als Treiber für Innovation?


Gemeinsam mit Urs Hölzle, ehemaliger Senior Vice President Engineering von Google und weiteren Expert*innen gingen wir der Frage nach, wie ambitionierte Klimaziele zu Innovationen führen. Urs Hölzle hat in den letzten Jahren das Netto-Null-Ziel bis 2030 von Google konsequent vorangetrieben. Neben weiteren Cases und Inputs stand aber der Erfahrungsaustausch im Vordergrund.
Community Insights
von CEO4Climate
26.10.2023

Community Insights aus dem CEO4Climate-Erfahrungsaustausch

Nach dem deutlichen Ja zum Klimagesetz vom 18. Juni sieht es nicht danach aus, dass die Politik ein adäquates CO2-Gesetz verabschieden wird. Dies wäre jedoch zentral, da darin die Massnahmen bis 2030 geregelt werden. Umso wichtiger es deshalb, dass die Wirtschaft im Klimaschutz vorangeht und die damit verbundenen unternehmerischen Chancen nutzt.

Am CEO4Climate Erfahrungsaustausch vom 25. Oktober 2023 haben sich rund 60 CEOs von renommierten Schweizer Grossunternehmen bei Google getroffen und die Frage vertieft, wie ambitionierte Klimaziele Innovationen fördern und dazu beitragen, Bestehendes neu zu denken.

Neben vertraulichem Erfahrungsaustausch standen Praxiseinblicke und Denkanstösse im Vordergrund, eingebracht von Urs Hölzle (Google Fellow), Elena Walder (Managing Partner Übermorgen Ventures) und René Estermann (Direktor Umwelt- & Gesundheitsschutz Stadt Zürich).

Fotografien: Valentin Müller
Weitere Bilder finden Sie am Ende dieses Beitrags.

Key Community Insights

  • Die Verabschiedung ambitionierter Klimaziele braucht Mut – auch weil nicht immer zu 100% klar ist, ob und wie respektive zu welchen Kosten man die Ziele erreicht.
  • Ambitionierte und glaubwürdige Ziele (beispielsweise gemäss der Science Based Targets initiative) wirken als Innovationstreiber, weil sie dazu beitragen, Dinge neu zu denken.
  • CEOs müssen sich ihrer Rolle als Innovationstreiber bezüglich Klimaschutz bewusst sein. Die Verantwortung dafür kann respektive sollte nicht delegiert werden. Ein intrinsisch motivierter CEO kann jedoch seine Mitarbeitenden motivieren und befähigen, die Innovationskultur zu leben.
  • Global, aber auch in Europa und der Schweiz entstehen immer mehr Startups, die Lösungen im Bereich Energie & Klima anbieten («Climatetech»). In der Schweiz haben sich die Investitionen in entsprechende Startups im letzten Jahr vervierfacht. Als Grossunternehmen gilt es, dieses Innovationspotential zu nutzen, um bei der Erreichung der Klimaziele voranzukommen und die Chancen der Transformation der Wirtschaft in Richtung Netto-Null zu nutzen: Sei dies durch Kooperationen, Beteiligungen oder sogar durch die Akquisition strategisch geeigneter Startups.
  • Zentral ist, dass eine Systematik geschaffen wird, um die Messung der eigenen CO2-Emissionen zu erfassen. Dadurch werden auch Innovationen im Sinne der Nachhaltigkeit vorangetrieben. Ein möglichst hoher Grad an Automatisierung mit einfachen Tools ist dabei hilfreich.
  • Ambition und Fortschritt der Klimaziele sollen intern wie extern transparent kommuniziert werden. Dies führt letztlich zu einer höheren Motivation der Mitarbeitenden und zu einem höheren Engagement bei der Zielerreichung.
  • Eine angemessene Fehlerkultur ist zur Erreichung unternehmerischer Netto-Null-Ziele zentral: Es braucht eine Organisationskultur mit Mut zu Experimenten.

Klimaziele: Hohes Ambitionslevel vs. sichere Zielerreichung

Mit Impulsen von Urs Lehner, Leiter B2B Swisscom und Urs Hölze, Google Fellow

Was sind ambitionierte Klimaziele, wie wird mit Unklarheiten bezüglich der Umsetzung (Kosten etc.) der Zielerreichung umgegangen, was bedeutet es, ein Ziel nicht zu erreichen und was braucht es, damit ein ambitioniertes Ziel zu einem Innovationstreiber wird?

Community Insights

  • Ambitionierte Ziele (beispielsweise Science Based Targets) führen zu mehr Motivation und zu einem grösseren Engagement bei den Mitarbeitenden und dem Management. Eine Vorreiterpositionierung löst Dynamik im Unternehmen aus. Gleichzeitig ist es zentral, dass die Ziele realistisch sind und Zwischenziele definiert werden.
  • Ein ambitioniertes Klimaziel benötigt einen gewissen Mut des Managements; gleichzeitig haben die Stakeholder aber auch Verständnis, wenn aus nachvollziehbaren und transparenten Gründen ein Zwischenziel verfehlt wird.
  • Die Kommunikation zu den Zielen und dem Fortschritt der Zielerreichung muss transparent sein. Klare Bekenntnisse zu ambitionierten und messbaren Zielen werden vorzugsweise mittels Storytellings nach innen und aussen kommuniziert. Leuchtturmprojekte müssen als solche sichtbar gemacht werden.
  • Es gibt verschiedene Booster, um Innovationen im Bereich Klima intern voranzutreiben, so zum Beispiel ein «internal carbon pricing», die kontinuierliche Verankerung des Klimaziels in der Unternehmenskultur oder die Anreize für das Management zur Erreichung des Klimaziels.
  • Ein Netto-Null-Ziel ist ein Treiber von Innovation und wichtig für die «Future License to Operate». Es ist Nährboden für neue Produkte, Dienstleistungen oder Lösungen und wird Finanzperformance begünstigen. Swisscom oder Google verfügen über entsprechende Beispiele.

Energiewende und Klimaschutz als Unternehmensmission und Businessdriver

Mit Impuls von Stephan Wartmann, CEO Brugg Gruppe

Verschiedene Grossunternehmen schaffen es, Klimaschutz und die Energiewende zu einem Teil der Mission und zu einem Businessdriver zu machen. Was sind die entscheidenden Faktoren, dass ambitionierte Klimaziele intern positiv wahrgenommen werden?

Community Insights

  • Nachhaltigkeit, Energiewende und Klimaschutz sind Faktoren für die Mitarbeiter*innenbindung wie die Personalsuche und müssen auch aus dieser Perspektive geschätzt und gestärkt werden.
  • Die Frage nach «Was braucht es auf dem Weg zu Netto-Null?» sollte möglichst bald in allen Unternehmen gestellt und beantwortet werden. Die Fragestellung befördert als Innovationstreiber Umdenken und Umsetzen.
  • Mitarbeitende sollen ermutigt werden, auch unausgereifte Ideen mit Kund*innen zu diskutieren – beispielsweise die Umsetzung eigener Netto-Null-Ziele. Dies wirkt als starker Innovationstreiber. Die Integration von jungen Mitarbeitenden der Generationen Z hilft, konventionelle Prozesse herauszufordern und innovativ zu bleiben.
  • Geschäftsbereiche, die den Wandel in Richtung Netto-Null verhindern, sollten geprüft und gegebenenfalls abgestossen werden. Dies schafft auch intern und extern Glaubwürdigkeit.
  • Die Messung des eigenen CO2-Footprints (auch bei KMU) ist zentral, um Innovation im Sinne der Nachhaltigkeit voranzutreiben. Dafür braucht es einen möglichst hohen Grad an Automatisierung und einfache Tools.
  • CO2-Emissionen müssen als Teil der Investitionsentscheidungen systematisch berücksichtigt werden. Die Emissionsbuchhaltung ist aber leider auch bei Unternehmen mit ambitionierten Zielen oft noch ungenügend verankert. Hier gilt es als CEO anzusetzen.
  • Oft ist der Schritt zu Netto-Null mit sehr grossen Umstrukturierungen verbunden. Darum sind erfolgreiche Zwischenschritte wichtig. Anstatt also beispielsweise die Infrastruktur des Unternehmens komplett umzubauen, sollte sie in einem ersten Schritt vor allem intelligenter (zum Beispiel über AI) genutzt werden. Das ist meist bereits ein grosser Hebel.
  • Traditionelle Industrien, wie etwa die Bauindustrie brauchen oft länger, bis sie sich zugunsten von mehr Klimaschutz bewegen. Hier spielt die Regulation eine wichtige Rolle.

Klimaziele als Innovationstreiber: Die Rolle des CEO

Mit Impulsen von Nora Teuwsen, Country Holding Officer ABB und Urs Neuhauser, CEO Griesser

Wie schafft ein CEO ein persönliches Umfeld, damit ambitionierte Klimaziele Innovationstreiber werden, bei den Mitarbeitenden, Lieferanten, Kunden positiv wahrgenommen werden und eine gute Dynamik auslösen?

Community Insights

  • Klimaziele treiben Innovationen an – sei es bei Produkten oder Dienstleistungen – weil sie Verantwortliche zwingen, Dinge neu zu denken. Um diesen Transformationsprozess erfolgreich umzusetzen, braucht es eine Organisationskultur mit Mut zu Experimenten sowie eine Fehlerkultur (failure celebration). Es ist hilfreich, Ideen in Zusammenarbeit mit Kundinnen und Lieferantinnen zu entwickeln. In der Folge zielen Schuldzuweisungen an die Adresse Einzelner bei verfehlten Klimazielen ins Leere. Hier spielt der CEO eine entscheidende Rolle.
  • Auch wenn wirtschaftliche Gründe für unternehmerischen Klimaschutz sprechen ist es förderlich, wenn ein CEO auch aus persönlicher Überzeugung handelt. Diese kann ein CEO auch bei seinen Mitarbeitenden fördern, zum Beispiel durch Mentoringprogramme. Gleichzeitig bedeutet dies nicht, dass keine persönlichen Widersprüche erlaubt sind.
  • Nachhaltigkeit gibt es nicht umsonst und erfordert vom CEO ein aktives Engagement. Die Verantwortung dafür kann nicht delegiert werden. Ein CEO muss sich seiner Rolle als Innovationstreiber bewusst sein.
  • Damit Klimaziele auch in systematische Weise in die DNA eines Unternehmens verankert werden, müssen sie ins Tagesgeschäft integriert und die Fortschritte gemessen werden. Die letzte Verantwortung dafür liegt auf C-Level Stufe.

Die Entwicklung vom CO2-intensiven Geschäftsmodell zum klimatauglichen Business

Mit Impuls von Patrick Meli, CEO MAN

Der Klimaschutz führt dazu, dass sich viele Unternehmen transformieren müssen und beispielsweise Produkte, die viel CO2 emittieren, ersetzen müssen. Wie wird ein solcher Prozess intern vorangetrieben und wie wird mit Widerständen und Zielkonflikten umgegangen?

Community Insights

  • Gerade in einem CO2-intensiven Geschäftsmodell ist es zentral, frühzeitig und mit genügend Management Attention ambitionierte Klimaziele zu verfolgen.
  • Unternehmerischer Erfolg schafft Freiräume, um neue Ideen zu entwerfen und umzusetzen. Dafür braucht es aber auch unternehmerischen Mut, früh über das erfolgreiche aktuelle Tagesgeschäft hinaus zu denken.
  • Regulation kann ein Innovationstreiber sein (von monetären Anreizen und Grenzwerten über Normen bis hin zum Outphasing von Technologien).
  • Der Druck von Kund*innen (Scope 3), aber auch von Mitarbeitenden ist ein wichtiger Innovationstreiber.

Zusammenarbeit mit Startups als Treiber für Innovation auf dem Weg zu mehr Klimaschutz

Mit Impuls von Elena Walder, Übermorgen Ventures

Download Präsentation (PDF)

Global, aber auch in Europa und der Schweiz entstehen immer mehr Startups, die Lösungen in den Bereichen Energie und Klima anbieten («Climatetech»). In der Schweiz haben sich die Investitionen in entsprechende Startups im letzten Jahr vervierfacht. Als Grossunternehmen gilt es, dieses Innovationspotential zu nutzen, um bei der Erreichung der Klimaziele voranzukommen und die Chancen der Transformation der Wirtschaft in Richtung Netto-Null zu nutzen: Sei dies durch Kooperationen, den Aufbau von Beteiligungen oder sogar durch die Akquisition strategisch geeigneter Startups.

Community Insights

  • Bei der Identifikation von Startups im Bereich Climatetech, die zur eigenen Klimastrategie passen, können Ubermorgen Ventures oder Verbände wie swisscleantech unterstützen und Zugang schaffen.
  • Es braucht das Bewusstsein, dass Investitionen in Startups ein «People Business» sind. Es ist zwar zentral, dass die Technologie solide ist, investiert wird letztlich jedoch in Menschen. Dies bedeutet, dass man als Investor*in auch den Mut haben muss, Teams anzupassen. Insbesondere dann, wenn die gegebenenfalls stark wissenschaftlich orientierten Gründungspersonen nicht den Anforderungen der Kommerzialisierung entsprechen.
  • Ein Unternehmen, welches in Startups investieren möchte, braucht Zeit und ein starkes Netzwerk, um die richtigen Kooperationen zu identifizieren und zu entwickeln. Weiter helfen einfache Strukturen oder eigene Venture-Capital-Gefässe – wie sie beispielsweise Romande Energie hat – um schnelle Entscheide zu ermöglichen.
  • Generell können die Rahmenbedingungen in der Schweiz weiter verbessert werden, um Startups weiter zu fördern (steuerliche Erleichterungen für Investitionen in Startups analog Grossbrittanien, mehr Kapital, stärkere Ausrichtung der Hochschulen auf Unternehmensgründungen etc.)

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